Die Feldenkrais Methode

Wie Menschen sich bewegen und wahrnehmen, ihre Muster erkennen und neue Möglichkeiten erwerben, hat einen direkten Einfluss auf ihr Befinden, nicht nur in körperlicher, sondern auch in psychischer Hinsicht. Bewegungs- und Wahrnehmungsgewohnheiten sind hilfreich, schränken die eigenen Fähigkeiten aber auch ein. Mit der von Moshe Feldenkrais entwickelten Feldenkrais Methode werden Bedingungen geschaffen, um diese Gewohnheiten wahrzunehmen, mit alternativen Bewegungs- und Selbstwahrnehmungsweisen zu experimentieren, sie zu integrieren, sowie die Möglichkeit von Veränderungen zu erleben. Die Feldenkrais Methode wird in zwei sich ergänzenden Formen angewandt. Einzelstunden in Funktionaler Integration und Gruppenstunden in Bewusstheit durch Bewegung. Erfahren Sie hier mehr zu den Anwendungsgebieten.

Hinweis: Das Praktizieren der Feldenkrais-Methode ersetzt keine professionelle Untersuchung/Behandlung bei physischen oder psychischen Erkrankungen. Besprechen Sie in diesem Fall mit der behandelnden Fachperson, ob die Feldenkrais-Methode komplementär im Rahmen einer Therapie zur Anwendung kommen soll.

Moshe Feldenkrais beim Amherst Training (1980-81)

© IFF International Feldenkrais Federation

Mehr über die Feldenkrais Methode

Die Feldenkrais-Methode ist eine Bewegungslehre und Methode zur Selbsterziehung, die durch die Schulung der Bewusstheit darüber, „wie“ man sich bewegt, grundlegende menschliche Funktionen verbessert, Schmerzen reduziert und zu allgemein leichten und angenehmer empfundenen Bewegungen führt. Die Methode findet internationale Anwendung in den Bereichen der Gesundheitsvorsorge, Schmerzbewältigung, (Neuro)-Rehabilitation, Psychosomatik, sowie zur Verbesserung des Körperausdrucks und der Bewegungsqualität in den Bereichen Tanz, Schauspiel, Musik und Sport. Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich ist die Arbeit mit Kindern mit körperlicher und kognitiver Beeinträchtigung zur Unterstützung in der motorischen und kognitiven Entwicklung.
Die Feldenkrais Methode ist benannt nach ihrem Begründer Moshé Pinchas Feldenkrais. Sein Interesse galt dem Menschen und dem Leben im weitesten Sinn, der Arbeitsweise des Nervensystems, der Bewegung und dem organischen Lernen. Feldenkrais verstand den Menschen als ein sich selbst regulierendes System.
Ein gesunder Mensch zeichnete sich nach seiner Auffassung dadurch aus, dass er über die Fähigkeit zur Selbstorganisation und zur Selbstregulation, auch Homöostase genannt, verfügt, um auch nach einer „Schocksituation“, einer Störung, wieder zu seiner üblichen Lebensweise zurückzufinden. Diese Sichtweise auf Gesundheit wird heute als Genesungskompetenz und Resilienz bezeichnet. Moshé Feldenkrais vertrat die Ansicht, dass Körper und Geist, Struktur und Funktion untrennbare Einheiten sind und entwickelte auf dieser Grundannahme seine Methode. Nach Feldenkrais beinhaltet jede menschliche Handlung immer vier untrennbare Bestandteile: Bewegung, Sinnesempfindung, Gefühle und Denken. Eine Einflussnahme auf einen dieser Teile wird eine Veränderung im Ganzen nach sich ziehen.
Feldenkrais wählte die menschliche Bewegung als Zugangsweg für Veränderungen, weil Bewegung die unmittelbarste Äusserung von Leben ist und jeder Mensch über das bewusste Erleben der eigenen Bewegung angesprochen werden kann. Die Bewegung, verbal angeleitet (Bewusstheit durch Bewegung) oder manuell vermittelt (Funktionelle Integration), dient als Informationsquelle für die Umgestaltung bzw. Umorganisation sensomotorischer Regelkreise im Gehirn. Feldenkrais ging von einem sehr grossen Entwicklungspotential des menschlichen Gehirns aus, welches durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Bewegung besser genutzt und lebenslang erweitert werden kann.
Der heutige Wissensstand der Neurologie bestätigt Feldenkrais’ Theorien.
Chronische Beschwerden, die sich aufgrund verschiedenster Faktoren (Krankheiten, Fehlbelastung, Unfälle, psychomotorische Fehlentwicklungen etc.) im Lauf des Lebens entwickelt haben, sind durch dieses bewusste Erleben der eigenen Bewegung veränderbar. Mit dem bewussten Erfahren der eigenen Bewegung ist nicht nur eine Veränderung der körperlichen Strukturen im Sinne einer Tonusregulierung der Skelettmuskulatur verbunden, auch die anderen drei Bereiche Sinnesempfindung, Gefühle und Denken werden beeinflusst.

Der amerikanische Wissenschaftler und Feldenkrais Practitioner Ralph Strauch fasst die Methode treffend zusammen:

„Die Feldenkrais Methode ist eine einzigartige Form neuromuskulärer Umerziehung, in der sanfte Bewegungen und gelenkte Aufmerksamkeit dazu benutzt werden, um die Selbstbewusstheit eines Menschen zu erhöhen und das Selbstbild, auf welchem Bewegung basiert, zu vervollkommnen. Die gelernten Lektionen können sich generalisieren und zu einer Verbesserung in allen Lebensaspekten führen.“

(Strauch, R.: Selbstbeschreibungsprozesse: Oder wie definieren wir die Feldenkrais Methode, Feldenkrais Gilde e.V., Köln/Bielefeld 1986)

Die Feldenkrais Methode kann auf zweierlei Weisen erfahren werden:

•Einzelstunden in „Funktionaler Integration
•Gruppenstunden in „Bewusstheit durch Bewegung“

Quelle: SFV Schweizerischer Feldenkrais-Verband/Feldenkrais Network International e.V., Methodenidentifikation zu Handen OdA KT, Zürich, Juli 2016

Geschichte

Moshé Pinchas Feldenkrais wurde 1904 in Slavuta (damals russisch, heute ukrainisch) geboren. Gleich nach dem ersten Weltkrieg wanderte er als Vierzehnjähriger allein ins damalige Palästina aus. Nach dem Abitur studierte er Mathematik und Vermessungstechnik. Feldenkrais interessierte sich für Selbstverteidigung und machte erste Erfahrungen mit Jiu-Jitsu. Auf dieser Basis entwickelte er bereits eine erste eigene Trainingsform und veröffentlichte 1931 ein Buch darüber (Jiu-Jitsu and Self Defence). 1930 ging Feldenkrais nach Paris, um an der Hochschule für Ingenieurswesen Mechanik und Elektrotechnik zu studieren. Nach dem Abschluss setzte er seine Studien an der Sorbonne fort und schloss diese mit einem Doktortitel im Ingenieurswesen ab. Parallel dazu arbeitete er am Radium Institut als Forschungsassistent unter Frédéric Joliot-Curie.
Feldenkrais lernte in Paris bei Jigoro Kano Judo und erhielt als einer der ersten Europäer 1936 den schwarzen Gürtel und gründete den Pariser Judo Club. Die Philosophie von Jigoro Kano, durch Judo Körper und Geist zu schulen, hat Feldenkrais sehr geprägt und die Entwicklung seiner eigenen Therapie beeinflusst. In den 1940er Jahren verschlimmerte sich eine Knieverletzung, die er sich in jüngeren Jahren beim Fussball spielen zugezogen hatte. Er konnte nur mit Schmerzen und unter grossen Schwierigkeiten laufen. Die Ärzte gaben ihm wenig Hoffnung, je wieder beschwerdefrei gehen zu können. Operieren lassen wollte sich Feldenkrais nicht, da ein gewisses Risiko bestand, dass das Knie dabei eventuell steif werden könnte. So beschloss er, das Problem selbst anzugehen. Dabei halfen ihm seine langjährige Erfahrung im Judo und Jiu-Jitsu sowie sein Verständnis von Physik, Ingenieurwissenschaften, Neurobiologie und deren praktische Umsetzung in Bewegung. Zusätzlich studierte er funktionale Anatomie, die Funktionsweise des Nervensystems und Verhaltensforschung.
Doch obwohl Feldenkrais als Universalgelehrter bezeichnet werden kann, entwickelte er seine Methode aufgrund von eigener praktischer Erfahrung. Er begann sein Bewegungsverhalten genau zu erforschen und entdeckte, dass er oft wochenlang keine Probleme mit dem Knie hatte und dann schlagartig wieder Schmerzen und Schwellungen auftraten. Achtsame Eigenbeobachtung und viele kleine mit Bewusstheit ausgeführte Experimente mit seiner eigenen Bewegung führten schliesslich dazu, dass er sein Knie wieder beschwerdefrei gebrauchen konnte. In jahrzehntelanger Forschung entwickelte er so die nach ihm benannte Feldenkrais Methode, die mit Bewegung als Grundlage des menschlichen Denkens, Handelns und Fühlens arbeitet. Als Basis der Methode hat er dabei immer das „organische Lernen“ verstanden. Aus diesen Forschungen resultieren auch unzählige Artikel, Interviews, Bewegungslektionen, sowie umfassende Fachliteratur, die den Feldenkrais-Praktizierenden noch heute als Basiswissen zur Verfügung stehen.
Ein Teil des wichtigsten Materials steht aus fachlichen Gründen ausschliesslich graduierten Practitioners zur Verfügung. Dazu gehören unter anderem die Transkriptionen der (ursprünglich auf Tonband aufgenommenen) „Alexander Yanai Lektionen“. Es handelt sich um eine Sammlung von über 500 Bewegungslektionen, die auch heute noch als Basis der praktischen Arbeit verwendet werden.
Dr. Moshé Pinchas Feldenkrais verstarb am 1.Juli 1984 in Tel Aviv.

Was bedeutet “Somatics”?

“Somatics” ist ein Bereich innerhalb der Körperarbeit und der Bewegungslehre, der die innere körperliche Wahrnehmung und Erfahrung betont, weswegen die Feldenkrais Methode auch als somatische Körperarbeit bezeichnet wird.